Einleitende Worte
Als Klavierbaumeister und Geschäftsinhaber von Piano Lang Aachen sei mir ein Vorwort zu unserem Angebot digitaler Instrumente gestattet.
Mein Beruf beschäftigt sich ausschließlich mit der Konstruktion, dem Bau, der Reparatur, dem Stimmen und der klanglichen Veredelung von akustischen Klavieren und Flügeln. Digitale Instrumente haben zwar auch Ihre Daseinsberechtigung, sind aber nicht mit akustischen vergleichbar und haben nichts mit meiner Handwerkskunst zu tun. Auch wenn damit geworben wird, dass sie sich von einem akustischen nicht unterscheiden lassen, so stimmt das nicht. Es sind völlig andere Instrumente. Digitale Pianos haben zumeist auch 88 Tasten und sehen aus wie ein „echtes“ Klavier. Oft wird sogar die Form, etwa die eines Flügels, nachempfunden. Aber sie unterscheiden sich sowohl spieltechnisch als auch klanglich von einem akustischen Instrument.
Spieltechnische Unterschiede
Die meisten Digitalpianos haben heutzutage natürlich eine so genannte Anschlagsdynamik (in Gegensatz zu den preiswerteren Keyboards). Das bedeutet, dass ein lauter Ton erzeugt wird, wenn man fest anschlägt, ein leiser Ton, wenn man sanft spielt. Das Anschlagsgefühl eines akustischen Klaviers oder Flügels wird jedoch nur imitiert. Sensoren nehmen die Anschlagsgeschwindigkeit ab und wandeln sie digital um. Die Bewegungen von zahlreichen kleinen Hebeln innerhalb einer Klaviermechanik gibt es nicht, so dass man diese auch nicht in den Fingern spüren kann. Wenn bei Digitalpianos im obersten Preissegment mittlerweile auch eine solche Mechanik in abgewandelter und vereinfachter Form eingebaut wird, so spürt man doch immer noch Unterschiede und wird dies auch in Zukunft immer spüren. Eine Nachahmung kann nie dem Original entsprechen. Spieltechnisch bedeutet das, dass die Sensibilität des Anschlags, all die feinen Nuancen, die ein akustisches Instrument ausmachen, nie erreicht werden können.
Wer die richtigen Griffe und Tastenkombinationen erlernen möchte, kann dies sicher auch auf einem digitalen Klavier. Wer einen kultivierten Anschlag ausformen und zarteste Unterschiede hörbar machen möchte, wird dies jedoch bei keinem E-Piano der Welt erreichen. Natürlich reagieren die hochwertigen Digital-Instrumente besser, aber auch sie erreichen niemals das Original, weil die erforderliche Mechanik nicht vorhanden ist.
Akustische Unterschiede
Bedenken Sie, dass ein digitales Instrument nie so klingen kann wie ein akustisches. Beim digitalen hat man, bei sehr guten gar in vielen Abstufungen, die Töne eines „echten“ Instruments aufgenommen. Man nennt dies „sampling“. Diese werden dann über Lautsprecher wiedergegeben. All die Feinheiten des Originalklangs können niemals mit einer Aufnahme erfasst werden, auch wenn hochwertigste Hard- und Software verwendet wird.
Schon das Mitschwingen des Gehäuses, das Mitschwingen der Luft im, aber auch außerhalb des Instruments, die minimalen Geräusche der sich bewegenden Mechanikteile, und vieles mehr können nicht vollständig erfasst werden. Jeder erfahrene Hörer wird den klanglichen Unterschied von einem digitalen Klavier zu einem akustischen hören. Kein klassischer Pianist wird seine anspruchsvolle Musik jemals auf einem Digitalpiano zu Gehör bringen.
Der Spaßfaktor
Wie bereits erwähnt, haben digitale Instrumente Ihre Daseinsberechtigung. Schiebt man den Vergleich mit den akustischen Geschwistern beiseite, so haben wir es mit netten Instrumenten zu tun, die sehr viel Spaß machen können. Es besteht die Möglichkeit, verschiedene Sounds zu wählen, also neben dem Klavier auch ein Cembalo, eine Orgel, Streicher, Bläser und vieles mehr zu Gehör bringen. Einige Modelle haben eine Begleitautomatik mit Rhythmus und allem, was dazu gehört, so dass man ein ganzes Orchester zum Klingen bringen kann. Aufnahmen sind möglich, so dass man seine Wiedergabe zur Kontrolle erneut anhören kann. Oder man verwendet sie dazu, sich bei einem vierhändigen Stück selber zu begleiten. Man kann die digitalen Instrumente mit dem Computer verbinden und die Klänge weiter verarbeiten. Oder die Noten zum selbst komponierten oder improvisierten Stück mit entsprechender Software direkt ausdrucken. Wie Sie sehen, sind die Möglichkeiten sehr vielfältig.
Ein Einstieg
Trotz aller Unterschiede zum akustischen Klavier oder Flügel bieten wir digitale Instrumente an. Sie gelten in meinen Augen jedoch entweder als Einstieg in die Welt des Klavierspiels, oder aber man nimmt sie als ein anderes Instrument wahr, wie ich oben beschrieben habe.
Wer Wert darauf legt, auch über Kopfhörer spielen zu können, um seine Umgebung nicht zu stören, dem bleibt leider nichts anderes übrig, als sich einem E-Piano zuzuwenden. Aber kann Musizieren denn je belästigend sein? Vom Einbau eines Silentsystems in ein akustisches Klavier rate ich zudem dringend ab, da sich der feine Anschlag des Klaviers dabei dauerhaft (!) verändert, weil die Mechanik (Auslösung) anders eingestellt werden muss. Ich habe ein Video zum Thema gemacht. Statt eines Silentsystems für akustische Klaviere rate ich somit zu einem Digitalpiano als Zweitinstrument (der Preis ist sowieso ähnlich), auf dem man dann zu den Ruhezeiten ungestört über Kopfhörer üben kann. Und zu allen anderen Zeiten, wo ein lautes Spiel möglich ist, kann man sich seinem „echten“ Klavier zuwenden, ohne technische Einbußen.
Als weiterer Grund, sich für ein E-Piano zu entscheiden, wird oftmals der Preis angeführt. Aber bedenken Sie, dass er nicht weit entfernt von dem liegt (oder bei teuren Modellen gar darüber), was ein gutes, solide überholtes, akustisches Gebrauchtklavier kostet. Wir sprechen dabei natürlich nicht von den Keyboards, die vor Weihnachten in den Discountern für 99 Euro angeboten werden. Denn das sind wirklich nur Spielzeuge.
Dazu kommt der Wertverfall, wie bei allen elektronischen Dingen. In regelmäßigen Abständen kommen neue Produkte auf den Markt, so dass man für sein altes Gerät schon bald nichts mehr bekommt, wenn man es dann doch wieder verkaufen möchte. Man kennt dies ja von Computern oder Smartphones, etc. Ein alter Windows 98 oder XP Rechner lässt sich eigentlich gar nicht mehr verkaufen. Akustische Klaviere und Flügel können im Gegensatz dazu im Laufe der Jahre sogar im Wert steigen.